Zwischen Urlaub und Stacheldraht
Früh morgens mache ich mich auf den Weg zum Camp Mavrovouni, dem neuen Flüchtlingslager der Insel Lesbos. Mein 20-minütiger Fußmarsch führt mich entlang der Küste, durch ein kleines Fischerdörfchen, dessen Wege von Oliven- und Orangenbäumen gesäumt sind. Salzwasser und Zitrus-Duft liegen in der Luft. Es fühlt sich an wie Urlaub. Das ändert sich schlagartig, als ich den Eingang des Camps erreiche. Polizist_innen beäugen mich argwöhnisch, meterhohe Mauern mit Stacheldraht verhindern den Blick ins Innere. Hastig verstaue ich meine Kamera, sie ist hier nicht gern gesehen. Am Eingangstor werden mein Ausweis und meine Eintritts-Genehmigung überprüft. Erst dann darf ich eintreten.
Das Camp Mavrovouni auf Lesbos liegt direkt am Meer. Im Winter peitscht ein eiskalter Wind durch die Zeltstadt. Im Sommer ist es brütend heiß. Foto: Marijn Fidder / Caritas international
Kein würdevoller Ort für Flüchtlinge auf Lesbos
Das Camp Mavrovouni wurde im Jahr 2020 nach dem Brand des Lagers Moria errichtet, durch den mehr als 12.000 Menschen über Nacht obdachlos wurden. Zuerst als Übergangscamp gedacht, waren die Bedingungen auch in Mavrovouni lange Zeit unhaltbar. Es regnete in die Zelte auf dem ehemaligen Militärgelände. Frauen, Männer und Kinder mussten bei Eiseskälte im Matsch ausharren - ohne zu wissen, wie es für sie weitergeht. Seit diesen ersten Wochen und Monaten hat sich im Camp einiges verändert. Zum Besseren?
Hannah ist Englischlehrerin bei der griechischen Caritas. Gemeinsam mit ihr bin ich im Camp unterwegs, um mit Geflüchteten zu sprechen. Foto: Marijn Fidder / Caritas international
Im Camp angekommen, holt mich Hannah, Englisch-Lehrerin bei der Caritas Hellas, ab, um mir das Lager zu zeigen. Schnellen Schrittes laufen wir durch die Schottergassen zwischen den Zelten. Auf den ersten Blick bin ich positiv überrascht: Im Gegensatz zu Moria muss in Mavrovouni inzwischen niemand mehr unter selbst zusammengebastelten Planen leben. Die Camp-Bewohner_innen kommen in beheizten und klimatisierten Containern oder verstärkten Zelten unter. Die Wohnbereiche sind so unterteilt, dass alleinstehende Frauen und unbegleitete Kinder besser geschützt sind. Auch die Toiletten und Duschen wurden verbessert.
Doch schnell merke ich: der erste positive Eindruck täuscht. Als uns eine junge Frau an ihre Unterkunft heranwinkt, um Hannah zu begrüßen, darf ich einen Blick hineinwerfen. Sie muss sich die ungefähr 15 Quadratmeter in einem fensterlosen Zelt mit zwei weiteren Frauen teilen. Ihr eigener Bereich beschränkt sich auf zwei Quadratmeter. Darin: ein Hochbett aus Stahl, auf dem sie schläft und ihre wenigen Habseligkeiten ausbreitet. Raum, um sich zurückzuziehen, gibt es nicht.
In dieser Enge harren die meisten Menschen im Camp monate- bis jahrelang aus. In der Zeit, in der sie auf ihren Asylbescheid hoffen, können sie nichts tun außer warten. Das Camp dürfen sie nur tagsüber verlassen.