Im Senegal und in Guinea Bissau wirkt sich der Klimawandel schon heute nachteilig auf die Gesundheit und die Ernährung der Bevölkerung aus. Der Reisanbau sowie die traditionelle Fischteichbewirtschaftung im Süden des westafrikanischen Landes, der Casamance, leiden unter den zu spät einsetzenden Regenfällen. Reisfelder versalzen, die Deiche der traditionellen Fischteiche wurden zerstört und die Mangrovenwälder sterben. Die Mangroven in der Gezeitenzone an der Küste verlieren somit ihre Schutzwirkung vor den Wellen des Atlantiks und dem Salz des Meeres. Reis und Fisch sowie Meeresfrüchte sind hier jedoch die wichtigste Nahrungsgrundlage der Bevölkerung. Auch der angrenzende nördliche Teil von Guinea Bissau ist betroffen.
Das Reistal der Gemeinde Youtou nahe der Grenze zu Guinea Bissau: Wegen des Salzes mussten die Bauern den Reisanbau aufgeben. Nun soll das Tal für den Reisanbau wieder kultivierbar gemacht werden, mit Deichbauten und der Aufforstung von schützenden Mangroven.Fabrice Taurines
Beide Länder, Senegal und Guinea Bissau, sind Mitglied der "Zwischenstaatlichen Gemeinschaft zum Kampf gegen die Trockenheit in der Sahelzone". Auch deshalb sind die Projekte zur Ernährungssicherung der Caritas Ziguinchor und der Organisation ENDA Eau Populaire in der Casamance willkommen. Sie helfen den Dorfbewohnern, die Nahrungsproduktion gegen die Klimawandelfolgen zu stärken, die Ernährung auf eine breite Basis zu stellen, die Umwelt als Grundlage für den Nahrungsanbau zu schützen und die Gesundheit in den entlegenen Dörfern zu fördern. Beide Organisationen sind Partner von Caritas international.
Warum Abwanderung droht
Laut der Welternährungsorganisation (WHO) liegt der Jahresverbrauch an Nahrungsmitteln in der Casamance mit 154 Kilogramm pro Person um 31 Kilogramm unter dem empfohlenen Wert für eine gesicherte Ernährung. So wundert es kaum, dass Umweltschocks hier sofort Ernährungskrisen auslösen können. Die Sorge um die tägliche Mahlzeit ist ein ständiger Begleiter der Familien in dieser besonders armen Region des Sahelstaates Senegal und dem angrenzenden Guinea Bissau.
Eine gravierende Folge solcher Ernährungskrisen ist die Abwanderung vor allem junger Menschen in die Städte. Dadurch fehlen Arbeitskräfte in der Landwirtschaft, die einen hohen Einsatz fordert, um sich an den Klimawandel anpassen zu können. Zudem hat die Bevölkerung kaum finanzielle Reserven, denn viele Menschen haben wegen auch des politischen Konfliktes in der Region (siehe Hintergrund) ihre Dörfer verlassen und sind erst kürzlich zurückgekehrt. Die Wiederansiedlung kostet Kraft in jeder Hinsicht.
Der Projektverantwortliche der Caritas Ziguinchor bespricht bei einer Deichbegehung die Instandhaltung. Mit dem Deichbau werden die alten Reisfelder wieder entsalzen und kultivierbar gemacht. Regelmäßige Dorftreffen sind der Schlüssel zum Erfolg, denn es geht nicht nur um Technik. Alle müssen am gleichen Strang ziehen, um das Tal wieder für die Landwirtschaft zu gewinnen.Martina Backes / Filmstill
Mit dem Klimawandel die Landwirtschaft erweitern
Der Agronom Ludovic Seydou Diédhiou ist verantwortlich für das Projekt der Caritas Ziguinchor zur Ernährungssicherung und Klimaanpassung. Er erläutert sein Vorgehen so: "Erst müssen wir Mangroven pflanzen und die Mangrovensümpfe schützen, die das Meerwasser abfangen. Dann bauen wir Deiche, sodass große Fischteiche von mehreren Hektar entstehen. Die traditionelle Fischteichbewirtschaftung kann so wieder gefördert werden. Und die höher liegenden Reistäler werden ebenfalls mit Deichen vor dem Salzwasser geschützt und so wieder entsalzt."
Das von Caritas international mit Geldern aus dem Energie- und Klimafonds des BMZ geförderte Projekt hat sechs Jahre lang in rund 40 Gemeinden die Vorschläge von Diédiou befolgt. Zentral ist der Kampf gegen das Salz. Die Versalzung der Böden ist hier die schwerwiegendste Folge des Klimawandels. Hektarweise mussten die Menschen den Reisanbau aufgeben, weil die Reispflanzen verfaulten, bevor sie Körner trugen. Zahlreiche Deiche wurden nicht mehr gepflegt, weil ein Teil der Bevölkerung durch den politischen Konflikt vertrieben wurde. Damit wurde die Versalzung beschleunigt.
Inzwischen wurden knapp 90 Hektar Reisanbaufläche von der Caritas Ziguinchor gemeinsam mit den Landgemeinden wiederhergestellt. In der Region Tanaff hat der Projektpartner von Caritas international, ENDA Eau Populaire, 280 Hektar degradierte Flächen in den Anbau zurückgeholt: Mit Deichen, die eine Entsalzung ermöglichen, und mit angepassten Reissorten, die in kürzerer Zeit zur Reife gelangen.
Im Projektgebiet der Caritas Ziguinchor wurden 89 Hektar Fläche für den Reisanbau wieder kultivierbar gemacht, dank Deichbauten und einem aktiven engagierten Dorfkomitee. Der Caritasmitarbeiter Samouré Samba ist selbst ein wenig stolz auf das Dorf und auf die gute Ernte.Fabrice Taurines
Binnen drei Jahren wurden zum Beispiel in der Gemeinde Médina Balante 75 Hektar Reisanbaufläche mithilfe eines 200 Meter langen Deichs und einer gut kontrollierten Wasserführung weitgehend entsalzt. Der Deich wurde von einer Baufirma mit großen Blocksteinen und Zement sowie Erde und Muschelkalk konstruiert, die Bevölkerung half tatkräftig mit. Vor allem hat sie den Bau mitgeplant. In den Deich sind zwei Schleusen eingelassen. Vor ihnen sammelt sich Grund- und Regenwasser, in dem nun erste Teichrosen und Rohrkolben wachsen. Die Teichrose ist eine Zeigerpflanze, die kein Salz toleriert. Ein gutes Zeichen.
Die Frauengruppe der Gemeinde Médina Balante zählt neun Mitglieder. Vier von ihnen, Ami Mansalé, Sadio Nghima, Marietu Mané und Ami Diatta ziehen Bilanz: Alle sind zufrieden mit dem, was sie in den letzten Jahren gemeinsam ereicht haben - trotz wiederkehrender Zweifel, ob das alles so funktionieren würde wie geplant. Binnen drei Jahren wurden hier 75 Hektar Reisanbaufläche rehabilitiert. Das Gelände konnte dank eines 200 Meter langen Dammbaus entsalzen werden. Die Ernte hat sich nahezu verdoppelt.Martina Backes
Médina Balante liegt in einem der drei Täler, die von der Partnerorganisation ENDA ausgewählt wurden. Die dortige Frauengruppe in hat den Reisanbau wieder aufgenommen. Die Dorfbewohnerinnen Ami Mansalé, Sadio Nghima, Marietu Mané und Ami Diatta bezeugen die guten Reisernten. Sie nutzen vier unterschiedliche angepasste Reissorten, die mit kürzeren Regenzeiten zurechtkommen. Das Saatgut wird von den ENDA-Mitarbeitern verteilt. Der Anbau ist biologisch und verzichtet auf chemische Dünger. Kübelweise tragen die Frauen verrottendes Laub und die obere Bodenschicht aus den anliegenden Wäldern in die Reisparzellen, um die Erde zu düngen. Die Erträge haben sich nahezu verdoppelt. So ruht die Ernährung im gesamten Dorf nun auf einer sicheren Basis.
Die Frauen sind zufrieden mit dem, was sie in den letzten Jahren gemeinsam hinbekommen haben, trotz wiederkehrender Zweifel, ob alles so wie geplant funktionieren würde.
Große Sorge macht ihnen allerdings aus Altersgründen die körperlich anstrengende Feldarbeit. Doch einige junge Leute, die bisher keine Perspektive auf dem Land sahen, fassen mit den guten Reisernten wieder Mut und bleiben in Médina Balante. Vor allem, weil nun auch der Gemüseanbau (siehe Reportage) ein zusätzliches Einkommen verspricht und die Mahlzeiten bereichert.
Im November ist Erntezeit. In Gruppen gehen die Frauen in die Reisfelder und ernten gemeinsam. Die Parzellen gehören einzelnen Familien, doch die Ernte ist Gemeinschaftsarbeit. Die Caritas hat verbesserte Reissorten eingeführt, die mit kurzen Regenzeiten auskommen. Daher ist die Ernte erträglich.Fabrice Taurines
Fischteiche schützen den Reis und liefern Proteine
In Bandiol, einer Siedlung ganz nahe am Fluss Casamance und keine 30 Kilometer von dessen Mündung in den Atlantik gelegen, ist der Reisanbau derzeit sehr eingeschränkt. "Hier haben wir einen Deich angelegt, der die Mangroven schützt und die traditionelle Fischteichbewirtschaftung wieder belebt", erläutert Angelique Djiconne, die Agrarfachkraft der Caritas. Gemeinsam mit dem Dorfkomitee hat sie den Deichbau geplant und umgesetzt, mit Schaufeln und dem nötigen Wissen über den Schleusenbau. Von der Caritas finanzierte PVC-Rohre mit vorgelagerten Fischfallen regulieren den Wasserstand und damit auch den Salzgehalt.
Die Fischer in Bandiol haben in Eigenarbeit einen neuen Deich aufgeschüttet, die Schleusen wurden von der Caritas finanziert. Nun können sie wieder Karpfen, Barrakuda und Meeräschen fangen. Zugleich werden die landeinwärts liegenden Reisfelder durch die traditionelle Fischteichanlage vor dem Salz geschützt. Fabrice Taurines
"Wir fischen mit dieser traditionellen Reuse", erklärt ein älterer Dorfbewohner. "Die kleinen Fische lassen wir wieder frei. Wir entnehmen nur die großen, und auch nur die drei Arten, Sompat, Karpfen und Meeräsche. Alle anderen Fische setzen wir wieder aus."
Mit den mehrere Hektar großen Teichen wird landeinwärts der Reisanbau geschützt. Die ersten Reisparzellen tragen bereits wieder Ernten. "Wir sensibilisieren die Bevölkerung, indem wir ihnen Videos zeigen. Dann organisieren wir ein Austauschtreffen mit den Nachbardörfern, die das neue System aus verbessertem Saatgut und größeren Parzellen bereits anwenden", erläutert Angelique Djiconne ihre Arbeit. Fischteichbewirtschaftung und Reisanbau bilden eine sehr sensible agrarökologische Einheit. Etwas am traditionellen System zu verändern, um sich an die neuen Bedingungen anzupassen, ist keine rein technische Frage. Die Dorfbewohner müssen ihre Arbeitszeiten und Pflanzpläne darauf einstellen, Gemeinschaftsarbeiten müssen neu organisiert werden. Die professionelle Begleitung dieses Prozesses ist ein wichtiger Baustein der Projektarbeit.
Im Dorf Kaléane der Landgemeinde Kaguitte hat ein fünfköpfiges Komitee angefangen, die Deiche für die traditionelle Fischteichbewirtschaftung wieder auszuheben. Die physisch anstrengende Arbeit bewältigen die Männer gemeinsam, heute graben sie für den künftigen Teich der Familie von Fabien Nyafouna (49).Fabrice Taurines
Warum der Klimawandel das Krankheitsrisiko erhöht
Weil der Regen oftmals viel zu spät einsetzt, verhärten in der Casamance die Böden. Sturzregen fließen dann an der Oberfläche ab und transportieren viel Sand in die Reisfelder. Die Pflanzen können nicht mehr wachsen.
Doch auch in den Dörfern richten die heftigen Regenfälle Schaden an. Das Wasser sammelt sich in Senken und bringt Sickergruben zum Überlaufen. Die Folgen sind fatal: Mückenbrutstätten, schwimmende Fäkalien und verseuchte Brunnen erhöhen das Risiko, an Malaria und an Infektionen zu erkranken. Guinea Bissau ist das Land mit der höchsten Cholera Rate auf dem afrikanischen Kontinent. In der Casamance ist das durch Mücken übertragene Dengue Fieber verbreitet. Und Malaria nimmt während der Regenzeit im gesamten Projektgebiet stark zu.
Die Verteilung von über 30.000 Moskitonetzen in ausgewählten Dörfern erwies sich als eine erste effiziente Gegenwehr gegen die von der Anophelesmücke übertragene Malaria. Begleitet wird diese Aktion durch regelmäßige Dorfversammlungen, auf denen Gesundheitsaktivisten über Hygiene, Trinkwasserbehandlung und vorbeugendes Verhalten gegen Krankheitsübertragung informieren. Sie sind die Verbindungsleute zu den Krankenstationen, die oft weit entfernt liegen.
Mala Mousa Sané, 57 Jahre, lebt mit sechs weiteren Personen in einem Haushalt. In seinem Dorf Laty wurden für alle Familien Latrinen gebaut, denn das Abwassermanagement wurde in einer Versammlung als eine Priorität der Dorfentwicklung gesetzt. In der Familie von Sané ist das Händewaschen nach dem Toilettengang inzwischen Gewohnheit. In Laty konnten Infektionskrankheiten dank der Latrinen stark eingedämmt werden. Die Modelle sind staatlich zertifiziert. Martina Backes / Filmstill
Latrinen für Laty
Alasane Sané ist Maurer. Über 80 Latrinen hat er in der Landgemeinde Laty und einigen Nachbardörfern inzwischen gebaut. Das können nicht alle Maurer, doch er ist einer von 14 jungen Männern, die von der Caritas Ziguinchorim Latrinenbau fortgebildet wurden. Es geht dabei nicht nur um ein gemauertes Erdloch oder ein kleines Toilettenhäuschen, sondern auch um hygienisch sichere Kompostierung, um die Belüftung und um die behördlich zertifizierten Bauweisen. Hygienestandards einzuhalten, ist im Toilettenbau eine eigene Wissenschaft.
Sané lebt in der Landgemeinde Laty. Er war gerade zwölf Jahre, als der Konflikt in seinem Dorf eskalierte, als die bewaffneten Rebellen und die senegalesischen Soldaten, die sich spinnefeind waren, nachts kamen. Er hat durch die Gewalt zwei Brüder verloren und war mehrere Jahrzehnte lang Binnenvertriebener. Da einige Dorfbewohner in Laty ein neues Haus bauen, hat er als Maurer zwar immer mal wieder zu tun. Mit der Zusatzausbildung bei der Caritas Ziguinchor beherrscht er nun ein Handwerk, das für die Dorfentwicklung einen besonderen Wert darstellt. Denn mit dem Latrinenbau verbessert sich die Abwassersituation. Die Rate der Infektionen durch Darmparasiten nimmt ab. Die Bevölkerung aus den Nachbardörfern sieht inzwischen ebenfalls die Vorteile. Sané ist sich sicher, dass er dank seiner Kenntnisse auch in Zukunft einen sicheren Job hat.
Ludovic Diédhiu, Projektkoordinator der Caritas Ziguinchor, auf einem Treffen mit dem Dorfkomitee in Laty, einer Gemeinde von Rückkehrern. Hier wurden für alle Haushalte Latrinen gebaut und rund 38 Hektar Reisanbaufläche wieder kultuvierbar gemacht.Fabrice Taurines
Grenzübergreifend denken und handeln
Das Projekt wird auch von der Caritas und weiteren Partnern auf der anderen Seite der Grenze realisiert, im südlich angrenzenden Guinea Bissau. Viele Konfliktvertriebene kehren von dort zurück, andere sind dort geblieben. Das Wasser in den Flussläufen und der Klimawandel kennen ohnehin keine politischen Grenzen, und auch familiäre Netzwerke sind oft grenzübergreifend. Mit allen Partnerorganisationen gemeinsam wurde ein System entwickelt, um die Widerstandskräfte der Menschen gegen die Folgen des Klimawandels zu stärken, und in vielen Tälern lässt sich das nur gemeinsam mit Dörfern aus Guinea Bissau und dem Senegal realisieren. Fischteiche, Reisanbau, Mangrovenaufforstung, Latrinenbau, Gesundheitsbildung, biologischer Anbau, Gemüsegärten - all das greift ineinander und zahlt auf das große Ziel ein, die Ernährung der Landbevölkerung auf eine stabile Basis zu stellen, selbstverwaltet und in einem starken Gemeinwesen.