Eine der wichtigsten Migrationsrouten durch die Sahara führt über Mali nach Südalgerien und dann nach Nordafrika, vor allem auch nach Libyen. Seit im Nachbarland Niger die Kontrollen zugenommen haben, wird die Route durch Mali stark frequentiert. Die nordmalische Stadt Gao liegt auf dieser Route und ist auch für alle, die in umgekehrte Richtung von Norden kommend wieder in den Süden reisen, eine wichtige Station.
Erst verstoßen, dann erpresst
Seit Jahren kommen Migrant_innen in die nordmalische Kleinstadt Gao, die aus Algerien abgeschoben wurden. Oft sind es algerischen Sicherheitskräfte, die sie im Grenzgebiet zu Mali in der Wüste aussetzen oder gar unter Androhung von Gewalt zum Grenzübertritt nach Mali zwingen. Die Grenzregion wird von bewaffneten Gruppen kontrolliert. Zahlreiche Migranten, die hier abgeladen werden, sind der Gewalt dieser Gruppen ausgesetzt: Viele werden beraubt oder gefangen gehalten, um von Angehörigen Geld zu erpressen.
Bei ihrer Ankunft in Gao sind die Migrant_innen zumeist mittellos und körperlich oft am Ende ihrer Kräfte. Sie sind weder in der Lage, sich zu versorgen, noch die Kosten für ihre Weiterreise zu tragen. Nach tage- und wochenlangen Strapazen sind viele in einem kritischen Gesundheitszustand und benötigen ärztliche Versorgung. Für die Mehrheit der Migrant_innen ist Gao eine Durchgangsstation, sie möchten in der Regel ihre Weiterreise schnellstmöglich fortsetzen.
Die politisch instabile Lage des Landes und die Präsenz dschihadistischer Gruppen befördert die Migration und ein Klima der Willkür gegenüber den Menschen, die eine neue Perspektive suchen. Die traurige Wahrheit: In der Region Gao hat sich die Ausbeutung von Migranten und Migrantinnen zu einem wichtigen wirtschaftlichen Sektor entwickelt. Zahlreiche Migranten und Migrantinnen werden wegen "nächtlichen Vagabundierens" oder weil sie über keine gültigen Papiere verfügen, ohne entsprechende Anhörungen inhaftiert. Nach und nach etablieren sich Strukturen, die den Menschenhandel befördern. Beteiligt sind auch politische Entscheidungsträger, Transportunternehmer, Busfahrer, Händler und bewaffnete Gruppen.
Insel der Ruhe
In dieser Situation ist das Migrantenzentrum in Gao eine Insel der Ruhe. Hier können die Migranten und Migrantinnen Rat suchen, sie werden notversorgt, erhalten Kleidung und Essen. Gegründet wurde das Zentrum von der Ordensgemeinschaft der Afrika-Missionare (Pères Blancs). Es musste infolge der Unruhen in der Region vorübergehend geschlossen werden. Seit der Wiedereröffnung 2014 hat es sich als verlässliche Anlaufstelle der Ortscaritas einen Namen gemacht: Maison du Migrant - Haus des Migranten. Die Caritaskräfte stehen hier mit viel Engagement und Fachwissen den Schutzsuchenden zur Seite. Dazu gehört auch die juristische Einzelberatung für 60 inhaftierte Migranten.
Alternative Angebote zur Migration
Diejenigen Migranten und Migrantinnen, die sich dauerhaft in Gao ansiedeln wollen, werden durch berufliche Fortbildungen darin unterstützt. Sie erhalten nach erfolgreicher Ausbildung eine Erstausstattung für den Aufbau eines Kleinbetriebes. Die direkte Unterstützung der Betroffenen ist jedoch nur eine Säule der Arbeit. Eine zweite zielt darauf, ein gesellschaftliches Klima zu befördern, das die Rechte der Migranten stärkt, statt sie zu verletzten.
So werden öffentlichen Diskussionsforen über Menschenhandel und Migration veranstaltet, politische Entscheidungsträger sind hier einbezogen. An sechs Schulen wird die Bevölkerung für die Situation der Migranten sensibilisiert. Radio- und Videospots benennen die Gefahren und die Risiken der Migration. Damit erhalten auch diejenigen Familien in Gao Anerkennung, die gegenüber den Migrantinnen Gastfreundschaft und Empathie zeigen. Es ist wichtig, solche Kräfte zu stärken.
Caritas international unterstützt Schulungen für die Mitarbeiter des Migrantenzentrums zum Umgang mit traumatisierten Menschen. Auch nehmen die Projektpartner an nationalen und internationalen Foren und Konferenzen über Migration und Menschenhandel teil, um ihre Sicht und ihre Erfahrungen einbringen zu können. Die kontinuierliche Arbeit auf mehreren Ebenen ist nötig, um Menschenhandel und Gewalt weiter einzudämmen.