Wer um die dreißig Jahre jung und in Darfur aufgewachsen ist, kann die miterlebten Krisen kaum an den eigenen zehn Fingern abzählen. Dürren vernichteten Ernten, die Tiere verdursteten oder wurden gestohlen, Häuser wurden verbrannt und Gräueltaten verübt.
In der unwirtlichen Region im Westsudan verübte eine regierungsnahe Miliz 2010 nach eskalierenden machtpolitischen Kämpfen zahlreiche Gewaltverbrechen, es kam zu ethnischen Säuberungen. Doch schon seit Mitte der achtziger Jahre militarisierten Milizen mit internationaler Hilfe einen schwelenden Konflikt - zum Leid der lokalen Bevölkerung.
Friedenskräfte der Afrikanischen Union konnten der Eskalation der Kämpfe kaum Einhalt gebieten. Die Unsicherheit legte das wirtschaftliche Leben der Bevölkerung weitgehend lahm. Felder wurden nicht mehr bestellt, lokale Märkte bleiben bis heute oft ohne nennenswerte Waren und bieten kaum Lebensmittel. In 2020 kommen starke Überschwemmungen hinzu - viele Menschen mussten ihr Zuhause verlassen.
Im Jahr 2019 sind von den etwa acht Millionen Menschen, die in Darfur leben, über drei Millionen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Mehr als die Hälfte von ihnen sind Binnenvertriebene. Die Kräfte der lokalen Bevölkerung zur Bewältigung von Krisenzeiten sind am Ende, Rücklagen aufgebraucht, das Vieh verkauft, die Menschen ausgezehrt.Die Preise für Sorghum, ein Hauptnahrungsmittel, sind im vergleich zum letzten Jahr um230 Prozent angestiegen.
Laut Welternährungsprogramm sind im Jahr 2019 rund 5,8 Millionen Menschen im Sudan von einer akuten oder latenten Nahrungsunsicherheit betroffen. In Darfur sind sieben von zehn Binnenvertriebenen betroffen und acht von zehn dort lebenden Flüchtlingen aus dem Südsudan. Der Hunger lauert überall…
Wer zurückkehrt, braucht ein sicheres Umfeld
Gemeinsam mit den Partnern vor Ort und den Catholic Relief Services unterstützt Caritas international über 20.000 Haushalte in Zentraldarfur. Ihre Arbeit konzentriert sich auf die dicht besiedelten Ortschaften Mukjar und Um Dukhun, in die derzeit die meisten Binnenvertriebenen zurückkehren. Hier leben 15 ethnische Gruppen von Kleinbauern und zehn Gruppen, die vorwiegend von der Viehhaltung leben. Drei von zehn begünstigten Haushalten sind Rückkehrer ehemals Vertriebener, sieben von zehn Haushalten gehören zu den lokalen Gemeinden, die Rückkehrer aufnehmen, obwohl sie selber große Existenzsorgen haben.
Über diese beiden Ortschaften hinaus werden rund 14.000 Haushalte dank einer gesteigerten land- und viehwirtschaftlichen Produktion in der Region ebenfalls eine bessere Versorgung mit Nahrungsmitteln vorfinden.
Gegen Hunger und für Frieden
Die Hilfen der Caritas kombinieren drei Ebenen, die stark ineinandergreifen. Bauernkooperativen können den Anbau und Handel mit Nahrungsmitteln wiederbeleben, indem sie mit Wissen, Viehfutter, Saatgut und Setzlingen ausgestattet werden. Zudem werden die Gemeinden mit modernen Bewässerungssystemen ausgestattet und mit einer Anschubfinanzierung gestärkt.
Der Gesundheitszustand der armen Haushalte wird sich mit dem Anbau von Gemüse und der Haltung von Milchvieh verbessern. Zudem werden Ernährungsprogramme für Kleinkinder und die Ausrüstung von zwei Basisgesundheitsstationen gefördert. Säuglings- und Kleinkinderernährung sind Themen von freiwilligen Gesundheitsaktivistinnen, die ausgebildet werden, um die Bevölkerung besser zu sensibilisieren. Mangelernährung bei Kleinkindern soll künftig besser erkannt und Hilfe besser zugänglich gemacht werden. Die dritte Komponente umfasst Friedensarbeit und Konfliktmanagement. Sie spielen im Zuge der Arbeit mit Bauern und Viehhirten, mit Gastgemeinden und ehemals Vertriebenen, mit Binnenflüchtlingen und Konfliktopfern eine wichtige Rolle.
Lebensgrundlage stärken
Egal, auf welcher Seite des Konfliktes die lokale Bevölkerung und die Vertriebenen gezerrt oder gestoßen wurden, sie alle wollen ihre Existenz wieder in die eigenen Hände nehmen, wollen Sicherheit und Zukunft. Daher unterstützen unsere Partner vor Ort zahlreiche Treffen, um gemeinsam mit allen an der Existenzgründung zu arbeiten. Zugleich werden aufkommende Konflikte mitverhandelt und nach gemeinsamen Lösungen gesucht.
Juli 2019
Zur Situation
Bereits zur Zeit der Unabhängigkeit des Sudan wurde Darfur von der Zentralregierung stark vernachlässigt. Die Menschen in Darfur haben Krise auf Krise erlebt. Die Ursachen für die heutige humanitäre Krise sind komplex und haben sich hochgeschaukelt. Ein langjähriger Konflikt der konkurrierenden Bevölkerungsgruppen um knappe Ressourcen ist nur eine Ursache. Hinzu kamen vor allem politische Machtinteressen von regierungsnahen und regierungskritischen Milizen - sie mündeten in bewaffneten und gewaltsam ausgetragenen Kämpfen. Längst erhärtet hat sich der Vorwurf eines Völkermordes. Aber auch die wiederkehrenden Dürren und Konflikte in den angrenzenden Regionen wie im Südsudan verschärften die katastrophale Lage in der westsudanesischen Provinz.
2,5 Millionen Menschen wurden in Darfur vertrieben, eine Viertelmillion Menschen flohen in den angrenzenden Tschad und die Zentralafrikanische Republik. Tausende leben noch heute in Flüchtlingslagern. Doch es kehren auch Menschen in ihre Herkunftsregion zurück, oft nach Jahren des Lebens im Provisorium stehen sie nun erneut vor dem Nichts.
Der Krieg in Darfur hat die in der von Armut und Dürre stark betroffenen Region Viehhalter und Bauern gleichermaßen hart getroffen. Die im Zuge des Bürgerkrieges ausgeübte Gewalt von Milizen und Regierung zerrüttete die Beziehungen der zahlreichen ethnischen Gruppen untereinander, die in der Vergangenheit Zeiten friedlicher Koexistenz, aber auch zahlreiche Konflikte miteinander ausgestanden hatten. Knappe Ressourcen, dürrebedingter Stress und ein nicht funktionierendes Staatswesen in dieser vernachlässigten Region haben die politische Krise verschärft und spätestens seit 2011 erneut zu einer humanitären Krise in ganz Darfur geführt.
Zentral für die Ernährung aller Menschen in Darfur war aber seit jeher ein feinmaschiges soziales Gefüge zwischen Bauern, Viehhalten und Agro-Pastoralisten, die in der Region beide Wirtschaftsweisen miteinander kombinierten. Eine friedliche Koexistenz sowie die Ernährung und der Gesundheitszustand der Menschen in Darfur werden auch in der Zukunft davon abhängen, ob die Gemeinschaften wieder fruchtbare soziale Netze aufbauen und miteinander Handel treiben können. Nur dann können ausreichend Nahrungsmittel produziert werden, und nur dann können die Haushalte der armen Bevölkerung ein kleines Einkommen erwirtschaften.
Juli 2019