Täglich wird Erzbischof Michel Cartatéguy am frühen Morgen und in der Abenddämmerung an seine Hauptaufgabe erinnert. Rund um Kathedrale und Bischofssitz im Herzen der nigrischen Hauptstadt Niamey liefern sich die Muezzin einen Wettstreit in Lautstärke und Ausdauer: "Allahuakbar" schallt es von den Moscheen ringsum. Cartatéguy nimmt den Ruf an: "60 Prozent meiner Arbeit ist dem Dialog mit den Muslimen gewidmet," sagt er und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: "Und 40 Prozent, um die Katholiken von der Notwendigkeit dieses Dialog zu überzeugen."
Cartatéguys Amtsbruder Ambroise Ouedraogo in Maradi, der zweiten Diözese des Landes, kann auf internationalen Bischofskonferenzen immer wieder erstaunte Blicke ernten mit dem Hinweis, das der Leiter der katholischen Schulen im Niger Muslim ist. Auch sein Diözesancaritasdirektor Abdoul Moumouni betet zu Allah, baut deshalb aber mit nicht weniger Energie und elf hauptamtlichen und fast 80 ehrenamtlichen Mitarbeitern die soziale Arbeit in einem Gebiet von der zweifachen Größe Deutschlands auf.
Die katholische Kirche im Niger ist klein. Sie muss sich arrangieren und tut dies pragmatisch. 20.000 Katholiken leben mit 13 Millionen Muslimen, einigen hunderttausend Anhängern animistischer Religionen und ein paar tausend Evangelikalen im ärmsten Land der Erde zusammen. Ihre Bedeutung ist weit größer, weil ihre Mitglieder überwiegend der Mittel- und Oberschicht angehören und über gute Kontakte in die Regierung verfügen.
Es ist somit keine Kirche der Armen und die katholische Mission eine grüne, sauber geharkte und mit Beeten geschmückte Oase in der eher verfallenden, staubigen und von allgegenwärtigem Plastikmüll durchwehten Hauptstadt der ehemaligen französischen Kolonie. Aber sie ist eine Kirche für die Armen und gewinnt gerade auch daraus ihre starke Stellung im Lande.
November 2011